Die eigene Berufung finden – mit der Kraft der Imagination

Orientierung finden
Wer losläuft, sollte seine Richtung kennen. Das ist eine uralte Weisheit. Sie wird aber häufig dann, wenn wir an unsere berufliche Zufriedenheit denken, vernachlässigt. Dabei geht es gar nicht um das Durchlaufen einer Bilderbuchkarriere, sondern vielmehr um das Erreichen einer echten, inneren Zufriedenheit. Das „mentale Kontrastieren“ kann hierbei äußerst hilfreich sein.

Was die Zielforschung uns bieten kann
Die eher unbekannte wissenschaftliche Disziplin „Zielforschung“ ist ein hochspannendes aber leider wenig bekanntes Themengebiet. Gabriele Oettingen, Professorin für Psychologie an der Uni Hamburg forscht und lehrt bereits seit 20 Jahren dazu und untersucht in ihrem Buch „Die Psychologie des Gelingens“ wie aus Motivationen auch Handlungen werden. Kernstück des Buches ist die Methode des „mentalen Kontrastierens“. Kurz zusammengefasst bezeichnet dies die Kombination aus positiven Zukunftsphantasien und der Visualisierung dessen, was zwischen diesem Zukunftsbild und der Gegenwart steht.

Positive Zukunftsphantasien als A und O
Gabriele Oettingen postuliert auf der theoretischen Ebene (und dies kann ich aus meiner praktischen Erfahrung nur bestätigen): Zunächst braucht es Träume! Wollen wir unser Ziel erreichen, sind positive Zukunftsphantasien im Grunde unersetzlich. Denn wer keinen Traum und damit im Grunde keine Vorstellung davon hat, wo er oder sie einmal „ankommen“ möchte, der sieht im Grunde auch keinen Anlass, loszulaufen. Ohne ein definiertes Ziel bleibt unser Wirken im schlimmsten Fall auch ohne Richtung: Ausgehend von einer gegenwärtigen Situation, von der man „einfach nur weg will“ geraten wir schnell in einen Schlingerkurs aus Trial-and-Error. Das ist äußerst anstrengend, ermüdend und nicht zuletzt raubt es uns wertvolle Zeit.

Think Big
Ich mache mit meinen Klienten zu diesem Thema sehr gerne ein Experiment und stelle ihm oder ihr folgende Aufgabe: Stellen Sie sich einen attraktiven Arbeitstag in Ihrer Zukunft vor. Wie stehen Sie an einem solchen Tag auf, wie fühlen Sie sich dabei, wie gehen Sie los, was sehen Sie vor Ihrem inneren Auge? Bei dieser Übung ist es wichtig, dass der Klient/die Klientin seinem/ihrem Gefühl folgt und sich jegliche Bilder ohne zu bewerten oder gar zu zensieren auch wirklich erlaubt. Die Bilder werden nicht forciert, sondern sie „steigen auf“, ganz von selbst, wie in einem inneren Kino.

Über sich selbst hinauswachsen
Bei dieser Übung merke deutlich, wenn jemand bei seiner Traum- und Wunschreise anfängt zu konstruieren, also verstärkt seine Ratio – also die linke Hirnhälfte! – einsetzt. Gelingt es einem Menschen hingegen, tatsächlich zu träumen und auch bisher unbewusste Sehnsüchte vor dem inneren Auge auftauchen zu lassen, ist dies schon an der gesamten Körperhaltung und dem Gesichtsausdruck erkennbar. Viele Menschen fangen beim Visualisieren an zu strahlen und bekommen häufig sogar einen frischeren, wachen Teint. Auch die Körperhaltung wird aufrechter, die Augen leuchten. Mit einem zusätzlichen Experiment ist diese Wahrnehmung sogar messbar. Der Effekt ist so frappierend, dass ich manchmal Klienten auffordere „Mögen Sie sich einmal kurz hier an den Türrahmen stellen? Ich lege Ihnen kurz ein Buch auf den Kopf und ziehe dann eine Bleistiftlinie. Wir sehen dann, wie groß Sie nun sind. Dasselbe wiederholen wir, wenn Sie gleich wieder voll und ganz in der Gegenwart sind. Ich möchte damit bezwecken, dass Sie das wahrnehmen, was ich gerade auch wahrnehmen kann.“. Klienten sind im Zielbild sechs bis acht Zentimeter größer. Dieses Wachstum-an-Tür-Anzeichnen kennen manche aus ihrer Kindheit. Meinen Klienten zeigt es: das Zielbild ist richtig für mich, es richtet mich auf und lässt mich wachsen. Anstrengungslos!

Mein Appell lautet daher: Träumen Sie, denn damit legen Sie den Grundstein dafür, was Sie später bekommen!

Jetzt erst recht
Mindestens genauso wichtig ist dabei jedoch auch das „Kontrastieren“ – also schauen und vor allem fühlen Sie in Ihre jetzige, gegebenenfalls unbefriedigende Situation auch hinein. Denn nach Oettingen besteht der Erfolg der Methode in folgendem Rezept: die Vergegenwärtigung des Unterschieds („Ich bin noch in der Gegenwart und nicht am Ziel“) und der damit einhergehende Frust schaffen die entscheidende Portion Handlungsenergie, die ihre Überwindung und damit Veränderung möglich macht.

Frust als Triebfeder für Veränderungen
Mein Glück als Coach ist es übrigens, dass viele Klienten schon mit einer erheblichen Frustenergie in meine Beratung kommen. Der Veränderung ist damit schon der Weg geebnet. In 90 % erlebe ich daher, wie schnell die Methode anschlägt und wie deutliche Fortschritte beim Formulieren und Erreichen der Ziele gemacht werden – also wie Visionen zuerst in der Phantasie Gestalt annehmen und dann ganz konkret in der Realität. Damit treten wir Tag für Tag den Beweis an, dass sich vieles gestalten lässt. Und nun machen Sie es mal gut. Frei nach dem Motto: „Mach doch, was Du willst.“