Vielleicht wissen Sie, dass ich seit kurzem auf Französisch coache, das hieß für mich für eine Weile: Ich mußte mein Französisch wieder aufpolieren. Dazu lese ich gern richtige Schmöker, denn die machen Spaß und sie wimmeln vor lauter Adjektiven und Verben, die man als französischsprechender Coach nicht nur kennen sondern auch lernen sollte.
Im Moment lese ich ein sehr amusantes Buch von Sophie Kinsella, „Samantha bonne à rien faire“: Samantha ist eine Anwältin auf der Überholspur, die Tag und Nacht arbeitet, die ihr Privatleben outsourced, um alles auf eine Karte setzen, nämlich auf die Beförderung zur Partnerin der Kanzlei. Tja, und da passiert ihr ein sehr, sehr teurer und folgenschwerer Fehler. IHR, die NIE Fehler macht. (Die Story entwickelt sich dann auf Kinsella’sche Art einfach grandios-kurios weiter).
Ich bin sonst gar kein großer Kinsella-Fan, aber dieses Buch gefällt mir. Es hat so viele Parallelen zu dem, was im wirklichen Leben los ist. KEINE Fehler machen. Ist das bei Ihnen auch so? Bei Ihnen selbst? In Ihrer Firma? KEINE Fehler machen. Wie ein Mantra.
Ist das gut so? Unsere Fehlerkultur?
Ich denke nicht – was denken Sie? Ich denke manchmal an die Fehler zurück, die mir in meinem Berufsleben passiert sind. Natürlich ist das immer noch kein schöner Gedanke, aber letztlich weiß ich, dass ich an den Fehlern am meisten gewachsen bin. Je unangenehmer der Fehler, desto besser kann ich mich daran erinnern, welche Verbesserungen daraus erwachsen sind und was somit zurecht den Eingang in meinen persönlichen Erfahrungsschatz gefunden hat.
Ich finde, „keine Fehler machen dürfen“ steht heute zu sehr im Vordergrund, gepaart mit einer „sehe ich ‚was Böses, höre ich nicht hin“-Haltung. Wir lassen Fehler nicht zu, wir lenken von uns ab durch die Suche nach dem Schuldigen oder wir negieren Fehler. Wir stellen uns unseren Fehlern nicht, …. nicht wirklich.
Ist es nicht viel wichtiger, dass wir aus Fehlern lernen dürfen und etwas Konstruktives daraus ableitet? Dann werden Fehler zu Meilensteinen auf der Lernkurve.
Doch dazu müssen wir zu unseren Fehlern stehen und aushalten lernen, wenn ein Fehler passiert ist. Einfacher gesagt als getan. Jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens eine Reihe von (Anpassungs-) Mechanismen entwickelt. In der Psychologie spricht man von den (Wesens-) Teilen (z.B. Inneres Team, Innere Familie, Ego-States). Ich nenne die Teile mit ihren Äußerungen im Folgenden die „inneren Stimmen“.
Einige Situationen rufen ein Bündel an inneren Stimmen, z.B. des Selbstzweifels, der Überforderung oder der Kontrolle hervor. Diese Stimmen sind dafür verantwortlich, dass ein im Außen passierter Fehler innerlich eine große emotionale Dimension entfaltet. Wir geraten in eine innere Disbalance und würden uns am liebsten verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen.
Doch es gibt Hoffnung. Sind wir einer derartigen, verunsichernden Vielstimmigkeit aus unserem Inneren ausgesetzt, kommt es darauf an, wie wir uns dazu einstellen. Wenn wir diesen Stimmen sagen können „Vielen Dank für Deine Meldung, ich werde diesen Aspekt berücksichtigen und versorgen!“, haben wir eine gute Chance, dass die inneren Stimmen sich beruhigen, dass Innen und Außen in Balance kommt, und dass wir uns dem Problem außen adäquat widmen können.
Nur dann können wir über das „Und jetzt?“ eingehend nachdenken, offen sprechen, den Kern des Problems finden und dort unsere Lösungen effektiv ansetzen.
Mein Großvater hatte in unserer damaligen Druckerei ein Schild angebracht, auf dem stand:
„Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, macht viele Fehler. Wer keine Fehler macht ist faul.“
Das können wir uns alle hinter die Ohren schreiben….